“Personenbeförderung ist viel, viel komplexer als man das denkt”

Sechs Fragen an: Thorsten Schumacher

Thorsten Schumacher ist seit 2021 Geschäftsführer der LANG Unternehmensgruppe und Sprecher im Regionalnetzwerk des Bundesverbandes wirfahren für NRW. Im heutigen Interview erzählt er, wie er zur Personenbeförderung kam, warum ihn die Branche Taxi so fasziniert und warum Fahrdienste extrem wichtig für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung sind.

MZ: Lieber Thorsten, schön, dass du heute hier bist. Kannst du uns zum Einstieg erzählen, wie du zum Thema Personenbeförderung gekommen bist? Stammst du aus einer Taxidynastie?

TS:lacht – Nein! Ich bin Quereinsteiger und noch gar nicht so lange dabei: Seit 2021 bin ich Geschäftsführer der LANG Unternehmensgruppe. Ich war damals auf der Suche nach einer neuen Herausforderung, nachdem ich viele Jahre in leitender Funktion im Bereich der Personaldienstleistung tätig war und mich dort mit Themen wie Zeitarbeit, Personalvermittlung, und Recruiting befasst. Zuerst war ich sogar etwas skeptisch: Taxi – kannte ich maximal als Kunde. Wie komplex kann das sein? Schnell habe ich gemerkt, dass besonders das Anwerben und Halten von Fahrpersonal im Vordergrund steht – quasi wie in meinem vorherigen Job das “Recruiting”. Das hat mich überzeugt! Aber ich habe auch schnell gemerkt, dass Personenbeförderung viel, viel komplexer ist, als man auf den ersten Blick denkt. Gerade durch unser breites Geschäftsfeld hat man mit vielen Themen und Details des Gewerbes zu tun, die man erst einmal durchdringen muss.

MZ: Interessante Perspektive. Könntest du noch einmal kurz umreißen, was die LANG Gruppe so macht?

TS: Die LANG Gruppe besteht aus vier Geschäftsfeldern: Wir betreiben rund 50 Taxis und halten damit das gesamte Bergische Land mobil. Daneben betreiben wir mit der Talamobil einen Fahrdienst mit über 250 Fahrzeugen, der sich auf Fahrten für Menschen mit Behinderungen spezialisiert hat. So fahren wir die Menschen etwa zur Schule oder zur Arbeit und sorgen so dafür, dass sie so selbstbestimmt wie möglich am Leben teilhaben können. Unsere zwei übrigen Geschäftsfelder sind aus diesen beiden Tätigkeiten entstanden: So haben wir unsere eigene Kfz-Werkstatt, in der wir unsere Fahrzeuge warten, aber auch Kunden – privat wie geschäftlich – betreuen. Etwa, indem wir dort “normale Fahrzeuge” zu Mietwagen und Taxis umrüsten inkl. dem Einbau von Wegstreckenzählern und Taxametern. In unserem vierten Geschäftsfeld, der Transform GmbH, führen wir neben diesen Taxiumrüstung, aufwendige Umbauten zu sogenannten „Behindertentransportkraftwagen“ durch.

WF: Was macht ihr da genau?

MZ: Wir rüsten Fahrzeuge zur Beförderung von Menschen mit Behinderungen um, also bauen etwa eine Rollstuhlrampe, Lifte und spezielle Systemböden ein oder verbauen besondere Rückhaltesysteme. Angefangen haben wir damit, als wir kurz vor und während des Beginns der Corona-Pandemie festgestellt haben, wie lange die Lieferzeiten für normale Fahrzeuge ohnehin schon waren. Zusammen mit der Zeit, die für einen Umbau benötigt wurde, gab es echte Probleme bei der Verfügbarkeit. Deshalb ist bei der Transform auch unsere Besonderheit, dass wir die Fahrzeuge vorproduzieren. Bei uns kann man also z. B. einen fertig behindertengerecht umgebauten Sprinter oder Caddy kaufen – ohne Wartezeit, sofort verfügbar. Das macht echt einen Unterschied, wenn man diese wichtige Transportaufgabe erfüllen will und schnell ein Fahrzeug braucht. Aus diesem Grund vermieten wir auch Fahrzeuge. Denn eins ist klar: Wenn ein Fahrdienst zur Behindertenwerkstatt oder zur Schule plötzlich nicht fahren kann – etwa weil das aktuelle Fahrzeug defekt ist und Ersatz lange Lieferzeiten hat – dann ist das ein echtes Problem. Die Menschen sind auf das Angebot angewiesen, um ihren Alltag bestreiten zu können.

WF: Das ist echt ein wichtiger Beitrag, um Menschen mit körperlichen Einschränkungen mobil zu halten. Zumal ihr in dem Sektor auch sicher mit nicht unerheblichen bürokratischen Anforderungen zu kämpfen habt. Was sind aus deiner Sicht insgesamt die größten politischen Hürden in der Personenbeförderung?

MZ: Insgesamt kann man sagen: Das Regelwerk zur Personenbeförderung in Deutschland ist nicht nur angestaubt – es ist quasi tot. Zum Teil wird noch immer mit Tarifverträgen gearbeitet, die älter als ich sind (lacht). Gleichzeitig finden die Innovationen nicht den Weg in die Rechtslage. So sind die allermeisten Taxitarife immer noch völlig starr. Ich finde diese staatliche Preisfestsetzung nicht zeitgemäß vor dem Hintergrund, dass öffentliche Institutionen uns dann sogar noch Konkurrenz machen. So etablieren immer mehr Städte in ihren Krankenhäusern eigene Fahrdienste und setzen da z.B. Bundesfreiwilligendienstleistende ein – da wird fairer Wettbewerb schwer. Ähnliches gilt für manch ein On-Demand-ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum, das zu günstigen Preisen quasi Individualfahrten anbietet. Da kann ich als Taxi nicht mithalten, wenn ich meine Preise nicht variieren darf. Hier muss sich etwas ändern!

WF: Das sehen wir auch so. Deshalb setzt wirfahren sich z. B. auch für eine umfassende Flexibilisierung der Taxitarife im Bestellmarkt ein. Apropos Zukunft: Thorsten, lass uns einen Blick in die Glaskugel wagen. Wie sieht der Taxi- und Mietwagenmarkt in zehn Jahren aus?

MZ: Ich bin mir sicher, der Taxi- und Mietwagenmarkt geht nicht weg. Wir werden in zehn Jahren eher mehr Fahrdienste als weniger nutzen. Aus meiner Sicht wird sich der Markt aber stärker differenzieren: Autonome Fahrzeuge können etwa viel effizienter Angebote im On-Demand-Verkehr erbringen. Digitalisierte Fahrdienste sprechen jüngere Leute immer mehr an, die schon heute seltener den Führerschein machen. Neben dem autonomen Fahren wird es aber auch weiterhin Angebote geben, die nicht ohne Fahrpersonal auskommen. Bei der Beförderung von Menschen mit Behinderung ist das selbsterklärend. Aber auch die Seniorin wird vielleicht Hilfe beim Einsteigen benötigen. Ich glaube daher, dass das, was wir heute als klassisches Taxibusiness kennen, sich mehr und mehr auf Menschen mit Hilfebedarf konzentrieren wird. Insgesamt bin ich mir aber sicher: Wenn der Rechtsrahmen stimmt, dann ist mehr für alle drin – Kunden, Fahrerinnen und Fahrer und natürlich auch für uns Unternehmen. Deshalb blicke ich optimistisch in die Zukunft – und investiere fleißig!

MZ: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Max Zombek für den Bundesverband wirfahren.