• München hat sich für den Dialog zwischen Plattformen, Taxi und Mietwagen entschieden, anstatt starre Mindestpreise für Mietwagen einzuführen.
  • Im TZ-Interview mit Uber- und Taxivertretern zeigen sich gemeinsame Zielvisionen: Es braucht eine stärkere Modernisierung und Digitalisierung des Taxigewerbes – insbesondere durch flexiblere, breitere Tarifkorridore, die sowohl Verbrauchern als auch Unternehmen zeitgemäße Mobilitätsoptionen ermöglichen.

Artikel aus der tz von Isabel Winklbauer

München will Mindestpreis für Mietwagen: Taxi und Uber im Streitgespräch

 

Im Fahrgewerbe kracht es: Der Stadtrat will am Dienstag einen Mindestfahrpreis beschließen, der Taxis vor Uber & Co. schützt. Ein Grundpreis von 5,42 Euro und ein Kilometerpreis von 2,56 Euro soll für Mietwagen gelten – fast so viel wie bei einem Taxi. Wir haben darüber mit Thomas Kroker, Vorstand von Taxi München, und Christoph Weigler, General-Manager von Uber Deutschland gesprochen. 

Herr Kroker, Herr Weigler, erst mal ein kleiner Status Quo: Kann jeder von ihnen sagen, was bei ihm zur Wiesn-Zeit eine Fahrt vom Bavaria Ring zum Flughafen kostet?

Thomas Kroker: Während der Wiesn liegt bei uns der verbindliche Flughafen-Festpreis bei 106 Euro tagsüber. Nachts, mit weniger Verkehr, ist es noch bisschen günstiger.

Christoph Weigler: Unsere Preise von der Bavaria zum Flughafen lagen letztes Jahr am ersten Wiesn-Samstag zwischen 70 und 110 Euro.

Das heißt, Taxi und Uber liegen manchmal gar nicht so weit auseinander.

CW:Das liegt jetzt auch ein bisschen an den Fahrtstrecken, die Sie als Beispiel gewählt haben. Normalerweise muss man auf einen beliebigen Uber-Preis im Schnitt 45 Prozent draufschlagen, um beim Taxipreis anzukommen. München hat im deutschlandweiten Vergleich die teuersten Taxis überhaupt!

Der Stadtrat will am Dienstag über einen Mindestfahrpreis für Mietwagen entscheiden, um die Taxi-Branche zu schützen. Warum sind Uber und andere App-Fahrdienste so sehr dagegen, dass sie zu Demonstrationen aufrufen?

CW:Ich wohne selber seit 20 Jahren in München und weiß, dass jeder die Stadt als superteuer empfindet. Da der ÖPNV am Stadtrand ausgedünnt ist, müssen aber viele öfter mal spontan und bezahlbar von A nach B. Geschäftskunden oder internationale Touristen würden teurere Preise vermutlich zahlen. Die meisten Münchner würden aber eher sagen, ich kann mir einen Fahrdienst nicht mehr leisten. Eine Preiserhöhung wird die Leute nur dazu bringen, wieder öfter mit dem eigenen Pkw zu fahren. Oder sie bleiben ganz zuhause.

Würde Uber mit Taxi-Tarifen überhaupt noch funktionieren?

CW: Wenn dieser Vorschlag so beschlossen wird, werden unsere Preise um rund 45 Prozent teurer. Alle Fahrdienste in der Stadt wären dann teurer als in New York, London, Paris oder Monaco. Dass gerade München mit Abstand die teuersten Preise für Taxi-Fahrten haben sollte, ist nicht so einfach zu erklären. Uber würde weiter funktionieren, aber die allgemeine Nachfrage würde extrem sinken. Unsere Kunden sind zum Beispiel ältere Menschen, die auf Fahrdienste angewiesen sind, oder Frauen, die abends spät nach Hause wollen. Von ihnen haben wir bereits tausende Zuschriften erhalten. Sie würden keinen Fahrdienst mehr nutzen.

Herr Kroker, warum wünschen Sie sich einen Mindestpreis für alle Taxi- und Mietwagen-Unternehmen?

TK:Für Taxis, also etwa für die Fahrzeuge der Mitgliedsfirmen von Taxi München, gelten strenge gesetzliche Regeln. Für Mietwagen, wie Uber sie anbietet, sind die Regeln hingegen weitaus weniger streng. Was sich bei beiden Angeboten tatsächlich unterscheidet, ist, dass Taxis sich am Taxistand anbieten und Uber-Wägen nur am Betriebssitz bereitgehalten werden dürfen zur Online-Bestellung. Aber das, was bei Uber auf der Straße stattfindet, ist kein Mietwagenverkehr, sondern Taxi-gleicher Verkehr unter der Flagge desMietwagens! Taxi sind jedoch an einen Tarif gebunden und der Mietwagen in der Preisgestaltung völlig frei. Dadurch findet kein ehrlicher Wettbewerb statt. Dabei sind die Personalkosten, die Mindestlohnregeln, die Sozialabgaben und auch die Fahrzeug-Unterhaltskosten in beiden Gewerben auf gleicher Höhe. Identisch sind auch Anschaffung, Versicherung und Steuer. Die Preis-Politik führt zur Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben im Millionenbereich.

Können Sie das konkretisieren? Was für Steuern und Abgaben gehen verloren?

TK: In München gibt es etwa 2000 Mietwagen, wovon 60 Prozent nicht den Betriebssitz in München haben. Das heißt, diese Gewerbesteuern fließen nicht an die Stadt. In München sind das zweistellige Millionenbeträge, meldete der Zoll. Was der Zoll auch berichtet, sind Hochrechnungen beim Ausfall von Sozialabgaben aufgrund von Mindestlohnverstößen. Es wurden Zahlen von 30 bis 40 Millionen genannt! Das sind Summen, die zum Nachdenken anregen.

Herr Weigler, wissen Sie von so etwas im Uber-Umfeld?

CW:Schade, dass wir in diesen stadtpolitischen Runden nicht dabei waren. Wir haben immer angeboten, an solchen Themen gemeinsam zu arbeiten. Deswegen bin ich auch verblüfft, dass nächste Woche Dienstag schon entschieden werden soll. Es waren eigentlich noch einige Runde Tische angekündigt. Natürlich ist es so, dass es immer mal wieder vereinzelte Vorfälle gibt. Aber die Behörden kontrollieren engmaschig und natürlich kooperieren wir immer mit ihnen. Wir nehmen das sehr ernst. Wir würden sogar gern noch mehr Daten teilen mit den Behörden, wenn wir dadurch eine bessere Zusammenarbeit und bessere Transparenz bekommen. Man darf aber auch nicht vergessen: Dadurch, dass alle Umsätze bei uns vollkommen digital und nachvollziehbar sind, ist unser Modell in Sachen Steuerehrlichkeit viel besser. Bargeldfahrten haben dagegen immer ein gewisses Risiko, dass vielleicht nicht alle Umsätze deklariert werden. Und noch ein Punkt: Während Taxis einen reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent genießen, zahlen Mietwagenfirmen den vollen Satz von 19 Prozent.

TK:Dennoch basiert das System Uber auf dem Rücken der Fahrer, die unter Sozialdumping leiden. Taxi und Uber erbringen die gleiche Leistung, also braucht es auch den gleichen Rahmen. Es gibt keinen Wettbewerb, solange Handschellen dem Taxigewerbe verbieten, nicht unter Tarif zu fahren, während der Mitbewerber 30 bis 40 Prozent billiger fährt – bei gleicher Leistung und gleichem Kostendruck.

Welchen Status haben die Taxifahrer bei Ihnen, Herr Kroker?

TK: Wir sind eine Genossenschaft, also ein Zusammenschluss von Taxiunternehmen, und das Fahrpersonal ist bei unseren Mitgliedsbetrieben angestellt. Wir befinden uns in sehr gutem Zustand, was die Einhaltung der Sozialversicherungen und steuerrechtlicher Vorschriften betrifft. Wer aus der Reihe tanzt, wird der in der Regel von der Behörde aus dem Verkehr gezogen. Ich behaupte jetzt mal, dass das Taxigewerbe in München das am strengsten und schärfsten kontrollierte Taxigewerbe in ganz Deutschland ist.

Herr Weigler, wie ist das mit den Uber Fahrern. Baden diese die günstigen Fahrpreise aus?

CW: Ich kann Sie beruhigen, die Situation ist bei unseren Mietwagen ganz genau so, wie Herr Kroker das vom Taxigewerbe schildert. Die Fahrer sind alle Angestellte bei unseren Partner-Mietwagenunternehmern, so wie die Taxifahrer Angestellte bei Taxiunternehmern sind. Das heißt, die Regeln sind komplett identisch. Das heißt, sie müssen alle sozialversicherungspflichtig angestellt sein und mindestens den Mindestlohn erhalten. Sie kriegen Urlaub, Krankengeld und so weiter. Die Hypothese, die Herr Kroker aufstellt, stimmt deshalb nicht

Diese Hypothese wäre?

CW: Dass man nur mit exorbitant hohen Preisen sicherstellen kann, dass die Fahrer ordentlich bezahlt werden. Das hieße ja auch, dass die Taxis in London und Paris nicht anständig zahlen würden, denn die sind auch nicht so teuer wie das Münchner Taxi. Die Wahrheit ist, dass die Auslastung der Taxis in München und Deutschland extrem niedrig ist im Vergleich zu internationalen Taxis. In Österreich, in der Schweiz und in anderen Ländern sind Taxis viel stärker ausgelastet – der Grund dafür ist, dass in Deutschland die Taxipreise einfach wahnsinnig teuer sind. Es kann sich niemand mehr leisten. Wir haben mit dem Institut der Wirtschaft eine Analyse gemacht, in der wir die echten Umsätze auf unserer Plattform geteilt haben, und es kam raus, dass die Umsätze unserer Mietwagenpartner bei weitem ausreichen, um profitabel zu sein. Der Auslastungsfaktor ist in fast jedem Gewerbe superwichtig. Statt den Mietwagensektor Restriktionen zu unterwerfen, glaube ich daher eher, dass wir mit gemeinsamen Vorschlägen an die Behörden Probleme bewältigen.

Wie könnten solche Vorschläge lauten?

CW: Wir haben zum Beispiel einen Datenaustausch vorgeschlagen, um noch mehr Transparenz zu schaffen. Man muss das Taxigewerbe auch attraktiver machen. Wie Herr Kroker schon angedeutet hat, geht das durch einen breiteren Preiskorridor. So einen Korridor gibt es in München schon, aber ganz klein. Es müsste ein viel größerer Korridor werden. Ein Taxi muss auch an einem Dienstag um 10 Uhr, wo nichts los ist, in der Lage sein, günstigere Preise anzubieten und zum Oktoberfest oder an Silvester muss man auch in der Lage sein, ein bisschen teurer zu sein, wie das bei der Deutschen Bahn auch ist oder bei jedem Hotel. So lässt sich eine Win-Win-Situation erzeugen, mit der alle zufrieden sind.

TK: Da bin ich zu 100 Prozent bei Ihnen, Herr Weigler. Den Schritt mit dem Tarifkorridor ist man in München schon gegangen, jetzt braucht er noch mal die klare Kante. Leider hat das Taxi nur zwischen minus fünf bis plus 20 Prozent Verhandlungsmöglichkeit. Deshalb wird der unregulierte Mietwagen immer billiger sein.

CW: Die Taxler sind nicht ausgelastet in Deutschland, das ist auch in München so. Und wenn man mit attraktiveren Preisen arbeiten würde, ist da noch viel mehr Musik drin. Durch diese Einführung des Taxi-Korridors ist auch unser Geschäft mit Taxis durch die Decke gegangen (Uber vermittelt auch klassische Taxis, d. Red.). Wir haben seitdem schon eine halbe Million Taxifahrten in München vermittelt! Die Kunden wollen etwas Bezahlbares wie Fahrten über die Uber-App, das verlässlich ist wie ein Taxi. Da ist doch niemandem geholfen, wenn Uber auch teuer wird, sondern man müsste den Preisspielraum breiter machen fürs Taxi.

TK: Es ist unbestritten, dass es im Taxi Strukturen gibt, die überholt sind. Ich glaube, das Taxi muss bei der Digitalisierung vorangehen, und auch in der Vermarktung der Dienstleistung. Taxifahrer dürfen nicht mehr nur vorm Hotel oder am Bahnhof stehen und warten, bis die Tür aufgeht. Hinter den Türen wird derzeit auch daran gearbeitet, dass man bei weiteren Strecken mit degressiven Tarifen wieder mit billigeren Preisen anbieten muss. Das sollte der nächste Schritt sein. Wir haben gesehen, dass Uber und Taxi sich bei den Kurzstreckentarifen fast gar nicht mehr unterscheiden, Der Unterschied wird erst merklich bei Fahrpreisen von 15 bis 25 Euro, weil der hohe Kilometersatz hintenraus so zu Buche schlägt. Mein persönlicher Ansatz zur Gesamtlösung ist nach wie vor das österreichische Modell, wo Taxi und Mietwagen als Einheitsgewerbe vereint sind.

Thema „Voneinander lernen“: Die Taxis haben vor zwei Jahren die Möglichkeit zur Festpreisvereinbarung eingeführt, wie sie bei Uber Standard ist. Wie nehmen die Fahrgäste das an?

TK: Diese Möglichkeit wird überwiegend über die App-Bestellungen genutzt und kommt dort sehr gut an. Ein sehr großer Anteil dort fährt nur noch mit Festpreis. Aber mittlerweile haben wir auch einen sehr hohen Anteil an telefonischen Bestellern, die den Festpreis zu schätzen wissen. Wir sehen, dass das der springende Punkt ist, warum das Taxi immer zweiter Sieger war. Die Verkehrspolitik in München, die Stausituation, die sinkende Durchschnittsgeschwindigkeit, der Wegfall von Straßen und Fahrspuren und mehr Radwege machen außerdem die Fahrzeiten noch länger. Der Wartezeitpreis schlägt zusätzlich negativ in den Fahrpreis rein. Das Ganze kann man mit dem Festpreis kompensieren. Der Festpreis ist ein Erfolg.

Herr Weigler, haben Sie auch schon mal überlegt, ob Sie vielleicht etwa von Taxi München übernehmen möchten, zum Beispiel ein Bestellsystem ohne Internet, nur per Telefon? Durch die reine App-Bestellung sind Senioren ausgeschlossen oder Geringverdiener, die ein zu altes Handy haben.

CW: Ich glaube, Taxi München macht vieles richtig. Ich glaube aber auch, der Anteil an Senioren, die kein internetfähiges Handy haben, geht stark zurück. Wir haben erst kürzlich ein Produkt für Senioren herausgebracht, mit einer stark vereinfachten Benutzeroberfläche und größerer Schrift.

TK: Das stimmt, die Generation über 70 ist von der Digitalbestellung gar nicht so weit weg. Wir stellen eher fest, dass Senioren nicht mit einem Bot oder einer Computerstimme sprechen wollen. App und vollautomatische Bestellung sind aber häufiger im Einsatz, als man denkt.

Was ist ihr wichtigstes Alleinstellungsmerkmal, mit dem Sie sich in Zukunft behaupten?

TK: Wir halten Taxis an 270 Standplätzen in München bereit, und wir sind auch digital verfügbar. Der Fahrgast wartet im Schnitt weniger als 3 Minuten bis er einsteigt. Und wir haben den besten, modernsten Fuhrpark in München, mit Oberklasse-Fahrzeugen und Mercedes E-Klasse. Die Beschwerdequote geht gegen Null. Unsere Servicequalität im Dienst am Kunden – gerade gegenüber Kranken, Behinderten, Schülern oder im Frauen-Nachttaxi Projekt – ist einmalig.

CW: Bei uns kennt der Kunde immer den Preis, bevor er losfährt. Es gibt jede Menge Sicherheits-Einstellungen, mit denen Kunden ihre Fahrt live mit einem Freund oder Partner teilen können. Es wird immer bargeldlos gezahlt und Geschäftskunden haben die Möglichkeit, Fahrten sehr einfach in ihre Betriebsabläufe zu integrieren.

Herr Kroker, Herr Weigler, ich danke für das Gespräch.